Archiv für den Monat: Januar 2013

Jahresbericht 2011 der Berliner Beschwerde- und Informationsstelle für Psychiatrie (BIP)

Den ersten Jahresbericht 2011 der Berliner Beschwerde- und Informationsstelle für Psychiatrie kann man unter www.psychiatrie-beschwerde.de/ finden.
 
Eugenie Wulfert schreibt dazu in der Ärztezeitung vom 1.1.2013 unter dem Titel “Schulterzucken in Psychiatrien”, dass nicht alle Einrichtungen konstruktiv mit den Beschwerden umgegangen seien. Im Bericht werde zudem bemängelt, dass auch bei Einrichtungen mit generell vorhandener Kooperationsbereitschaft die Beschwerdebearbeitung oft sehr aufwändig gewesen sei, da die Zuständigkeiten für Außenstehende nicht transparent waren oder wechselten.

Das Spektrum der Beschwerden, die bei der BIP eingangen sind, seien breit. Etwa die Hälfte der 468 Beschwerden bezog sich laut Jahresbericht auf strukturelle Mängel.
Patienten beklagten zu lange Wartezeiten, unzureichende Einbindung von Angehörigen, fehlende Orientierungshilfen oder die ungenügende Vernetzung von ambulanten und stationären Hilfsangeboten.

Aber auch die ungewollte Verabreichung von Psychopharmaka, Zwangsbehandlungen wie Zwangseinweisung oder Fixierung, unhöfliche Umgangsformen des Personals, beengte räumliche Unterbringungsverhältnisse, Zweifel an der Qualifikation des Personals, Übergriffe sexueller und gewalttätiger Art seien Gegenstand der Beschwerden gewesen.

Auf diesen Artikel in der Ärztezeitung hat Jürgen Thorwart hingewiesen und ihn uns zur Verfügung gestellt.

Wie auf einer einsamen Insel – umgeben von einem Meer der Vergessenheit.

Ich gehe regelmäßig als Besucherin auf die geschlossene Station unserer Nervenklinik.

Was mir angenehm auffällt, ist das Verhalten des Pflegepersonals im Umgang mit den Patienten. Da ist mehr Menschlichkeit und Anstand vorhanden als auf anderen geschlossenen Stationen. Nur bei der Fixierung geht’s genau so zu wie auf der geschlossenen Station eine Etage tiefer.

Was mir weiter aufgefallen ist, ist – dass sehr wenig Besuch kommt auf der geschlossenen Station einer Psychiatrischen Klinik, und so wartet man als Patient vom Frühstück zum Mittagessen, Kaffeetrinken und Abendessen. Der Ausgang ist meist nicht erlaubt und wenn, dann in Gruppe mit Pfleger.

Als ich selbst das erste Mal in einer psychiatrischen Klinik auf der „Geschlossenen“ war, kam jeden Tag eine Therapeutin, die mit den Patienten, die das wollten, bastelte oder strickte. Das habe ich nicht mitgemacht, aber viele Patientinnen waren froh über diese Ablenkung.

Warum man das in der Klinik hier nicht macht, kann ich nicht verstehen. Man könnte doch junge Menschen – als Praktikanten – einsetzen für diese sinnvolle Arbeit.
Leider kann ich weder handarbeiten noch basteln, aber ich besuche die Patienten und durch Gespräche kann sie vom tristen Klinikalltag ablenken.

Eine Patientin sagte, wenn Besuch kommt – egal für wen, fällt ein Sonnenstrahl auf die Station. Eine sehr schöne Formulierung. So werde ich mindestens einmal pro Woche ein wenig Sonne auf die Station bringen…

Die Menschen sind sehr dankbar und kommen auf mich zu, sie wollen mit mir reden, und ich höre zu, das ist für mich eine Erfüllung – keine Arbeit.

Habe gestern einen Brief an den Chefarzt abgegeben, in dem ich ihm erkläre, dass ich gerne auch auf der anderen geschlossenen Station Einlass hätte. Mal schauen, ohne extra Erlaubnis würde ich sicher von dem Pflegepersonal erneut abgewiesen werden.

Traurig, denn ich will den Patienten helfen.

Frau L. habe ich seit Sommer letzen Jahres begleitet, leider ist sie erneut erkrankt. Ich durfte sie im „Wach-Bereich“ besuchen, das hätte man auf der anderen geschlossenen Station nie erlaubt.
Die Menschen auf den geschlossenen Stationen leben wie auf einer einsamen Insel umgeben von einem Meer der Vergessenheit. In ihre Einsamkeit komme ich und zeige den Patienten, dass ich an sie denke. Ich höre zu und gebe gute Ratschläge und schon oft habe durch kleine Geschichten die Patienten zum Lachen gebracht. Über Doktoren, Ärzte und Pfleger spreche ich nie schlecht, das würde nur Unruhe bringen.

Eine Patientin hat mich gestern zum Abschied herzlich umarmt und gesagt:“ Liebe X. danke für deinen Besuch.“
Das gibt mir den nötigen Schwung mein Ziel weiter zu verfolgen, und ich bleibe die treue Besucherin, die Sonne in den tristen Alltag der Patienten bringt.

Wer hilft nach Klinikentlassung? von Angelika Kurella

Ich möchte mit diesem Bericht darstellen, wie in einer psychiatrischen Klinik die Patienten zum Teil entlassen werden – ohne richtig stabil zu sein. Ein Irrgarten!
Im letzten Moment konnte ich die frühzeitige Entlassung meiner Tochter verhindern, aber das war kein Einzelfall.
Da gibt es Patienten, die ich 2011 auf der einen Geschlossenen gesehen habe, die sehe ich jetzt auf der zweiten geschlossenen Station.

Nun, es ist klar, dass manche Kranke stabil werden und nach einiger Zeit wieder psychisch krank auf den Stationen ankommen, aber es sind auffallend viele. Man könnte gut sagen – Stammkunden.

Für die Pfleger ein Vorteil, sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Für die Ärzte ein schon bekannter „NEUER“ Patient.

Ich selbst bin aus der Nussbaumklinik entlassen worden und war nicht so stabil wie man sich’s gewünscht hat, aber ich bin daheim stabil geworden, und war seit 22 Jahren nicht mehr in stationärer Behandlung.

Man müsste Patienten und deren Angehörige darauf hinweisen, dass man nach der Entlassung eine Hilfe bekommen kann, zum Beispiel im Sozialpsychiatrischen Dienst.

Ich weise bei meinen Besuchen in der psychiatrischen Klinik darauf hin, gerne auch auf den Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie hin, denn da hatte ich durch eine Sozialpädagogin die beste Unterstützung.

Wenn man jedoch nichts von diesen Hilfen weiß, steht man alleine da, und manche fallen in die Erkrankung zurück. Die Angehörigen sind auch meist ratlos.

Ich verstehe nicht, dass diese Hilfe so einfach gar nicht genannt wird. Man sollte mehr dafür werben. Ich mach das.

Diese Scheinwelt, die nur aus dahin-Vegetieren und sinnlosem dahin-Dämmern am Rande der Gesellschaft besteht, die muss aufhören.

Der folgende Text wurde uns im Januar 2013 von dem Autor Gert Springmann zugeschickt – mit einigen Anmerkungen. Den Text – verfaßt im Jahr 1998 – sei als Vortrag in einem Sozialpsychiatrischen Dienst gedacht gewesen. Er habe ihn nicht überarbeitet, somit sei er überholt und entspreche nicht dem Stand der Dinge.

Wir halten ihn trotzdem für lesenswert und veröffentlichen ihn hier mit kleinen Veränderungen.


Akzeptieren statt Ausgrenzen

Am Samstag, den 23. September 1997 ( ? ) von 10 – 16 Uhr, stellten sich auf dem Rathausplatz 71 Selbsthilfegruppen vor, um eine interessierte Öffentlichkeit über ihren Daseinszweck aufzuklären  und aus ihrer Verborgenheit aufzutauchen.

Der normale Bürger ahnt ja nichts von der Existenz solcher Gruppen, deren Bedeutung für Betroffene bei Fachleuten und Eingeweihten inzwischen unumstritten ist. Diese Mauer des Schweigens einmal demonstrativ zu durchbrechen, das Ziel hatte der Tag auf dem Rathausplatz, der sich „Smiley-Tag der Selbsthilfegruppen” nannte, was so viel bedeutet wie: Selbsthilfegruppen übermitteln allen Interessierten lebenspraktische Informationen.

„Wir wollen Nicht-Betroffene aufrütteln und Betroffene können ohne Vorbehalte schauen und sich informieren“, sagte Petra Seidel von der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen. Schirmherr war der Oberbürgermeister Dr. Peter Menacher.

Der Tag fand heuer zum dritten mal auf dem Rathausplatz statt. Das Angebot war vielfältig. Es reichte von „A“ wie Anonyme Alkoholiker bis „Z“ Zwänge-Gruppe.

Die Anonymen Alkoholiker sind eine der ältesten Selbsthilfegruppen am Lech. Doch nicht nur Gruppen für Krankheiten, sondern auch viele Selbsthilfegruppen im Psychosozialen Bereich sind noch sehr unbekannt, entwickeln sich aber langsam, obwohl ihre Existenz für die Bevölkerung ein Tabu darstellt.

Auch die Arbeitsgemeinschaft für psychische Gesundheit, der Sozialpsychiatrische Dienst der Diakonie, hatte einen Stand auf dem Rathausplatz. Das Echo auf dem Info-Markt war gut. Viele Besucher holten sich Broschüren, Adressen oder Ratschläge.

Gleichzeitig legten die meisten Wert auf gute Tarnung: Am Stand für hyperaktive Kinder kamen zum Beispiel auffällig viele junge Frauen vorbei, die „für eine Bekannte“ Unterlagen mitnahmen. Die Mitarbeiterinnen der Selbsthilfegruppe wissen:  “Für viele Eltern ist es schwer, dazu zu stehen, dass ihre Kinder Schwierigkeiten haben.“ Dabei ist die Problemgruppe groß. Erika Jänike nennt Schätzungen, wonach weit über 10% der Deutschen Aufmerksamkeitsstörungen haben, die oft mit Hyperaktivität verbunden sind. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene seien betroffen.

Die Presse, muss man sagen, verhält sich etwas zurückhaltend, will das „heiße Eisen“ nicht so richtig anpacken und berichtet im Grunde nur oberflächlich über Selbsthilfegruppen.

Die Bevölkerung müsste besser informiert werden, und es müssten Ängste und Sorgen genommen werden, die das Zusammenleben behindern.

Die Arbeit der Selbsthilfegruppen versteht sich auch als Aufklärungsfunktion und will Behinderten helfen, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Wer kennt schon den „Deutschen Psoriasis Bund e.V.“ (DPB) oder weiß was Psoriasis ist (Psoriasis ist Schuppenflechte). Psoriasitiker werden in der Öffentlichkeit diskriminiert und ausgegrenzt. Diese Reaktion erfolgt in der Regel aus Unwissenheit und Sorge um die Gesundheit und nicht aus bösem Willen.

Oder wer weiß schon, was Aphasie ist. Aphasie ist eine erworbene Sprechstörung. Sie tritt bei verschiedenartigen Krankheiten des Gehirns auf. Eine solche Schädigung des Gehirns kann verursacht sein durch Schlaganfälle, Hirnblutungen, Schädel-Hirn-Verletzungen (z.B. durch einen Unfall), Hirntumore oder entzündliche Prozesse im Gehirn. Aphasie hat nichts mit geistiger Behinderung zu tun. Wie bei der Epilepsie ist es schwer, die Leute davon zu überzeugen.

Das ist ein Punkt, der mich sehr beschäftigt, und mit dem ich mich gerne auseinander setzen möchte. Daher die folgende Darstellung:

Was denkt die Öffentlichkeit über eine psychische oder geistige Behinderung, und was unterscheidet einen körperlich Behinderten von einem psychisch oder geistig Behinderten? Welche Rolle spielen sie im öffentlichen Leben? Wie werden sie behandelt?

Einem psychisch oder geistig Behinderten traut man im Allgemeinen nichts zu. Bei einem Körperbehinderten besteht mehr Hoffnung oder ein besserer Ansatz, ihn auf irgendeine Weise in die Gesellschaft zu integrieren. Psychische oder geistige Behinderungen sind unheimlicher und schwerer fassbar.

In der Landesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte in Bayern e.V.“ sind 70 Mitgliedsverbände vertreten (Stand September 1998: Heute: “Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihrer Angehörigen in Bayern e.V.” mit 105 Mitgliedsorganisationen.)

Bei den Körperbehinderten sind es z.B. der „Landesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V.“ und die „Selbsthilfe Körperbehinderteer, Landesverband Bayern e.V.“. Bei den psychisch und geistig Behinderten ist es z.B. die „Bayerische Gesellschaft für psychische Gesundheit e.V.”. Es gibt die „Deutsche ParkinsonVereinigung, Landesverband Bayern e.V.“ und die “Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, Landesverband Bayern e.V.“.

Das soll nur eine kurze Auswahl sein, eine Andeutung der tatsächlichen Verhältnisse. Immerhin gibt es in Augsburg, wie Dr. Jürgen Bruggey, Gesundheitsreferent der Stadt Augsburg berichtet, etwa 250 Selbsthilfegruppen und nicht wenige stammen aus dem psychosozialen Bereich. Darüber möchte ich schreiben, und ich hoffe, dass ich die Geduld meiner Leser nicht überstrapaziere.

 „Aufmerksamkeit erregen, ein Erinnerungsrest, der bleibt.“ (Dr. Lothar Lindstedt, Leiter der Abteilung Sozialpsychiatrie des städtischen Gesundheitsamtes)

Ich meine, dass ein Körperbehinderter nicht denselben Repressalien ausgesetzt ist wie ein psychisch oder geistig Behinderter. Natürlich gibt es auch gegenüber Körperbehinderten Vorurteile. Auch sie werden abgelehnt. Unsere Gesellschaft ist auf Leistung, Kraft, Durchsetzungsvermögen etc. aufgebaut. Man muss voll funktionieren, nur dann hat man eine Chance.

Früher hatte man Berufe, die ein Körperbehinderter nicht ausführen konnte, aber durch die technische Modernisierung und Automatisierung ist ein Körperbehinderter heute in fast allen Bereichen einsetzbar. D.h. ein Körperbehinderter hat fast die selben Chancen wie ein „gesunder“ Mensch. Natürlich gibt es Ängste gegenüber körperbehinderten Menschen. Keiner möchte unvollständig und z.B. auf den Rollstuhl angewiesen sein. Man denkt, man könne nicht alles mitmachen und sei ausgeschlossen.

Es ist das Menschenbild des Nationalsozialismus überliefert, wo man stark und kräftig sein und zupacken musste,. Dieses strahlende Ideal: groß, stark, wendig, beweglich, effektiv und allen anderen Überlegen. Teilweise erlebt dieses Menschenbild heute eine Renaissance. Es ist doch so, dass viele Menschen einen Körperbehinderten, der im Rollstuhl sitzt, Prothesen trägt, auf Krücken geht, als minderwertig, gering, abhängig, unmenschlich armselige Kreatur, als völlig abartig, entartet betrachten. Er wird nicht anerkannt und im besten Falle muss man ihn bedauern.

Vielfach wird ein Behinderter als niedere Kreatur betrachtet.

In einer besonderen Situation befinden sich, neben den Körperbehinderten, auch noch die psychisch und geistig Behinderten, die man nicht vergessen darf. Auch deren Rechte müssen anerkannt werden.

Eine psychische Behinderung entwickelt sich im Laufe der Zeit und kommt nicht von Anfang an zum Vorschein. Auch eine geistige Behinderung muss nicht unbedingt angeboren sein. Es gibt viele geistig und psychisch Behinderte, die eine ganze Zeit lang ziemlich normal funktioniert haben. Man konnte nicht erkennen, dass sie behindert sind. So haben sie, und es gibt zahlreiche Beispiele dafür, einen ganz normalen Weg eingeschlagen, der nicht unterbrochen und gestört wurde und der an ein bestimmtes Ziel gelangt ist. Es gibt viele Behinderte, die einen Beruf und eine Schulbildung haben, und die einen gewissen Platz in der Gesellschaft erworben haben.

Es ist sinnlos, einen psychisch oder geistig Kranken einfach abzulehnen und rundweg in Frage zu stellen. Er hat etwas geleistet, und er kann stolz darauf sein.

Psychisch Kranke wirken oft etwas dünnhäutig und verletzlich, und viele ihrer Erfahrungen und Auffassungen sind in gewisser Weise überzogen und übertrieben und dem tatsächlichen Geschehen nicht angemessen.

Ein normaler Mensch achtet nicht auf sein Gegenüber und ignoriert dessen Reaktionsweise, denn es ist doch offensichtlich, dass der „normale“ Mensch auf seinen Vorteil bedacht ist, und seine egoistischen Interessen im Auge hat. Er kommt nicht auf den Gedanken, dass es für verschiedene Dinge auch verschiedene Sichtweisen gibt, und dass man Menschen auch anders SEHEN KANN:

Der normale Mensch in Bayern wählt CSU und zieht nicht in Zweifel, ob sein Verhalten auch angemessen ist und den wahren Tatsachen entspricht. Jemand der darüber nachdenkt und abwägt, wo die Wahrheit und Ehrlichkeit zum Vorschein kommt, der wird einfach als Spinner und Neurotiker abgetan, weil es als anormal angesehen wird. 
In Bayern hat man feste Regeln und Vorstellungen, die niemals in Frage gestellt werden und einer stabilen Vorstellungswelt entsprechen: Job, Familie, Haus, Geld, Einfluss – dies alles konservativ, bewahrend und fest gefügt, also Werte, an denen man nicht rütteln darf, eherne Gesetze, die jeder anerkennt.

Alle diejenigen, die in dieses Schema nicht hineinpassen, aus der Rolle fallen, werden als nicht ganz zurechnungsfähig und vielleicht noch als absonderlich angesehen. Es kommt vor, dass man sie als geisteskrank betrachtet. Wie leicht sagt sich der Satz, wer arbeiten will, der findet auch Arbeit. Man muss nur guten Willen haben und motiviert sein. Vor allem muss man sich anpassen können, also sich unterordnen und Verzicht leisten, also entbehren. Den psychische Kranken wird oft vorgeworfen, sie seien selbst schuld an ihrer Krankheit. Warum mussten sie auch auffallen?

Natürlich sieht man es den psychisch und geistig Kranken manchmal auch an, dass da irgendetwas nicht stimmt. Ihre Stimmung ist oft wechselhaft, und sie sind zu Tode betrübt, wenn etwas nicht klappt. Diese dünne, verletzliche Haut wirkt manchmal absonderlich, seltsam, weil sie allem Bekannten widerspricht.

Natürlich achtet ein „normaler“ Mensch kaum auf seine Mitmenschen und übersieht sie, denn jeder ist sich selbst er Nächste. Depressionen z.B. werden erst bekannt, wenn etwas passiert ist, also wenn jemand einen Selbstmordversuch macht. Da erschrickt der „normale“ Bürger und fragt „warum?“. Er kann es nicht begreifen. Die Motive liegen im Dunkeln. Eine akute Psychose führt eben zu Komplikationen. Der „normale“ Bürger reagiert darauf hysterisch. Er will es nicht wahr haben.

Wie gesagt: viele Körperbehinderte können fast alle Berufe ausüben, denn es gibt die technischen Mittel dazu. Man müsste dieselben Maßstäbe auf geistig und psychisch Behinderte anwenden. Sie sind zu mehr fähig als der „normale“ Mensch glaubt. Die Vorurteile, die da existieren, sind irrsinnig. Warum sollte man denn die psychisch Behinderten zu überflüssigen, unnützen Fressern und Schmarotzern erklären, die man nur so durchfüttern muss? Das Bewusstsein der Bevölkerung hat da eklatante Defizite und verkennt die wahre Entwicklung. Es ist einfach hinter dem Stand der Dinge und der wissenschaftlichen Erkenntnis zurückgeblieben.

Das verlangt einen Staat, der seine Bürger ernst nimmt und sich für deren Wohl einsetzt. Diese gegenwärtige Gleichgültigkeit und Indifferenz ist nicht nur ärgerlich: sie macht betroffen. So kann man wertvolle, produktive Menschen nicht einschätzen.

Die Interessenverbände der Körperbehinderten nehmen für sich Artikel 3 des Grundbesetztes in Anspruch:

„niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Darum geht es: dass auch psychisch Behinderte sich anerkennen und von ihren Fähigkeiten überzeugt sind, dass sie Mitglieder dieser Gesellschaft sein und sich integrieren wollen, dass sie die selben Rechte und Pflichten haben wie die normalen Menschen, dass sie nicht in Hoffnungslosigkeit und Resignation verfallen und sich nicht aufgeben.

Diese Scheinwelt, die nur aus Dahinvegetieren und sinnlosem Dahindämmern am Rande der Gesellschaft besteht, die muss aufhören.

Was ein Körperbehinderter kann, der auch oft zu großen geistigen und gestalterischen Taten fähig ist, das muss auch für einen psychisch und geistig Behinderten gelten!

Warum sollte man dieses enorme kreative, geistige, schöpferische gestalterische, prägende, phantasievolle und einfach kompetente, fähige Potential, das da besteht, einfach verschleudern.

Eine Gesellschaft., die Zukunft und Chancen, die überleben und im internationalen Maßstab konkurrieren will, die was auf sich hält, kann sich das nicht leisten, nämlich diffamieren, verfolgen, ausgrenzen und missachten.