Archiv für den Monat: Februar 2019

TSVG II: Meine persönlichen Gesundheitsdaten für alle?

Nicht alles ist sinnvoll – nur weil es technisch möglich ist und Geld bringt
In diesem zweiten Teil zum Terminservice- und Versorgungsgesetz des Bundesgesundheitsministeriums geht es in erster Linie um Regelungen zu der geplanten Online Patientenakte. Die dazu erforderliche Einrichtung der Telematikinfrastruktur in den Psychotherapie Praxen trifft auf Kritik und Widerstand bei den Therapeuten. Ein Streitgespräch macht deutlich,  worum es geht. Wir zeigen in dem Gesetz versteckte, unhaltbare Änderungen des SGB V auf , und die Unvereinbarkeit der EU  Datenschutz Grundverordnung mit dem von Spahn geplanten E-Health Gesetz II. Details  illustrieren, wie angreifbar und gefährdet die IT Sicherheit und der Datenschutz  einer Online Patientenakte sind. Schließlich fragen wir nach dem Problembewusstsein zur Sicherheit der Patientendaten bei politischen Parteien und bei (Fach-)Verbänden der Psychiatrie.

Streitgespräch
Auszüge aus der Auseinandersetzung des Geschäftsführers von Psyprax, dem Telematik Softwareentwickler, Thomas Flohrschütz, mit Dieter Adler, Psychologischer Psychotherapeut mit eigener Praxis, Gründer des Kollegennetzwerkes Psychotherapie, der gegen die Einführung der Telematik und die Online Patientenakte kämpft, vom 15.2.19

Thomas Flohrschütz: “Herr Adler, was ich (…) an Ihrer Vorgehensweise ganz ungut finde: Erst jahrelang schlafen und dann, wenn der Zug längst an gefahren ist, aufwachen und herumwirbeln. High noon is over, its afternoon! Das Projekt TI (Telematik) gibt’s seit etwa 2001, und noch vor ca. fünf Jahren hätte man vielleicht etwas bewegen können. Jetzt ist das dazu viel zu spät. Wir können nur noch versuchen, den Schaden zu begrenzen. Aber wohl nicht durch trotzige Verweigerung: Jetzt angesagt wäre intensive Einmischung in die Gestaltung der ebenfalls wohl nicht mehr aufzuhaltenden Patientenakte. Sonst werden wir plötzlich gesetzlich gezwungen sein, unsere Stundenprotokolle in die Akte zu stellen.”

Dieter Adler: “Ja, wir haben geschlafen, das tun wir gerne bei Entwicklungen, die gegen unsere Zunft gehen. Immer im Glauben: die Berufsverbände werden es schon regeln. Haben sie das getan? Gut, dass wir jetzt wachgeworden sind!
Der Zug ist abgefahren, aber er steht kurz davor, zu entgleisen. Das wollen wir verhindern.
Da wir schon beim Thema ‘Verschlafen’ sind:
Warum haben Sie sich eigentlich damals, also vor einigen Jahren, dazu entschlossen, die Telematikinfrastruktur (TI), den Anschluß an die Konnektoren auch anzubieten? Sie waren dazu nicht verpflichtet. Haben Sie sich eine bessere Kommunikation zwischen den Kolleginnen und Kollegen davon versprochen?
Bestimmt nicht. Wir Psychotherapeuten reden lieber miteinander, als elektronisch zu kommunizieren. Seien Sie doch mal ehrlich: Sie haben die fetten Gewinne gerochen. Denn das Gesetz versucht zwar, Behandler zu zwingen, sich an die Telematik anzuschließen. IT-Unternehmen, wie Ihres, waren nie dazu gezwungen. Und sind es jetzt auch nicht. Da klingt Ihr Satz: „Mir wäre lieber gewesen, auf die TI zu verzichten, wir konnten gut mit dem Zustand vorher leben“ wie blanker Hohn, ein zynischer Schlag ins Gesicht von uns und ein Verbrämen von Profit-Motiven.
Ist es nicht eher populistisch in das Horn der Daten-Euphemisten zu stoßen und zu sagen: „Wir können nichts mehr ändern.“

Trotzige Verweigerung? (…) Das ist verantwortlicher Umgang mit unseren Patienten. Mit unserer Pflicht, die Vertraulichkeit der Arbeit zu schützen.
Und warum sollen wir lieber an der Gestaltung der Patientenakte mitwirken? Die Farbe, das Aussehen? Wir können nicht gezwungen werden, dort etwas hinein zu stellen. Kein Arzt kann dazu gezwungen werden.

Ok, was ist an der Telematik für unseren Bereich notwendig?
Den Abschlussbericht der Klinik einen Tag früher zu bekommen? Den Konsiliarbericht telematisch sofort, nachdem der Patient beim Hausarzt war, auf dem Bildschirm zu haben, sondern erst nächste Woche zur nächsten probatorischen Sitzung?
Und Notfälle? Ja, die gibt es. Aber es gibt immer noch das gute alte Telefon und den guten alten Anrufbeantworter.
Sie können mich gerne weiterhin der Lächerlichkeit preisgeben, um davon abzulenken, dass Sie (und andere TI-Anbieter) dabei sind, die Büchse der Pandora zu öffnen, um Gewinne zu machen.

Was würden Sie persönlich davon halten, wenn Sie Patient bei mir wären und ich meine Akten in meinem Geräteschuppen aufbewahren würde. Das fänden Sie – zu Recht – sicherlich unverantwortlich. Oder wenn ich für viel Geld Geräteschuppen zur Aktenaufbewahrung verkaufen würde? Ich verstehe, dass sich die TI-Anbieter hinter Herrn Spahn stellen. Weil er ihnen viel Geld ins Haus bringt.”

Das “Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (E-Health-Gesetz) war zum 1.1. 2016 in Kraft getreten. Das Gesundheitsministerium wollte bis Ende 2018 den Entwurf für ein neues E-Health Gesetz II vorlegen. Das  ist bis heute nicht geschehen.
“Momentan werden allerdings einzelne Regelungen für mehr Digitalisierung in der Versorgung bereits in laufende Gesetzesverfahren integriert. So ist im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) die Regelung zu den Online Patientenakten enthalten… 1

Bevor wir uns aber dieser Regelung zuwenden noch zwei Hinweise auf weitere Änderungen des  Sozialgesetzbuches V im Schlepptau des TSVGs, die Aufmerksamkeit erfordern, beispielsweise von Gegnern der Privatisierung im Gesundheitswesen.
1. Auslagerung staatlicher Aufgaben an Private ohne öffentliche Debatte (Änderungsantrag 15)
Eine Änderung im Entwurf des TSVGs, deren Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Darüber schreibt am 7. Februar 2019 Klaus-Peter Powidatschl vom Verein Patientenrechte und Datenschutz e.V..:
“Ein bislang in der Öffentlichkeit wenig beachteter Punkt ist der Versuch, den Einfluss von Unternehmensberatungen auf die Krankenkassen zu erweitern.
Mit dem ‘Änderungsantrag 15’ (…) der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des TSVG beantragen die Fraktionen,(…): ‘Die mit der Prüfung nach diesem Absatz befassten Stellen können in besonderen Fällen Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien oder IT-Berater mit einzelnen Bereichen der Prüfung beauftragen.’ Eine solche Möglichkeit ist derzeit im SGB V nicht enthalten.“2

Gegen diese Änderung wendet sich Frau Matthies von der SPD, Mitglied im Gesundheitsausschuss, mit Nachdruck in der FR. v. 5.2.2017: “… So greifen private Unternehmen immer stärker und mit voller Billigung der öffentlichen Verwaltung in hoheitliche Aufgaben ein, die sie ja angeblich so viel besser erledigen können.” (…) Bislang haben sich der Bundesrechnungshof und auch der Bundesrat ausdrücklich gegen eine Erweiterung der Zuständigkeit der Wirtschaftsprüfer im Bereich der Krankenversicherung ausgesprochen.
Diese Dienstleister haben kein Interesse daran, im Sinne der Versicherten zu agieren… Das wichtigste Argument gegen die Öffnung des öffentlichen Sektors für Wirtschaftsprüfer Unternehmen aber hat der Bundesrechnungshof (BRH) 2017 geliefert. Neben dem Argument, dass die Bewertung der Wirtschaftsprüfer zumeist zu pauschal und wenig aussagekräftig seien, und sie ihre Prüfungen ohne Beanstandungen oder kritische Hinweise abschlossen, vermerkt der BRH, dass die betriebswirtschaftlich orientierte Beratung der Krankenkassen sich dabei sicher nicht am Gedanken der Solidarität, sondern an dem Gedanken eines unternehmerischen Mehrwerts orientiere. Außerdem erodiert demnach staatliche Handlungsfähigkeit, wenn Firmen einbezogen sind, die sich darüber neue Märkte und Umsätze schaffen könnten…
Daher muss jetzt im Zuge der Beratungen im Deutschen Bundestag mindestens eine umfassende parlamentarische Debatte erfolgen und es darf nicht im Windschatten eines Gesetzes eine für die Daseinsvorsorge so bedeutende Regelung vorgenommen werden, die bislang eine ausschließliche Aufgabe der Exekutive, d.h. des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden war. Diese Auslagerung staatlicher Aufgaben an Private darf nicht einfach geräuschlos vollzogen werden, sie muss abgelehnt werden.”3

2. Ungetestete und schädliche Therapieformen? (Änderungsantrag 28)
Neben Änderungsantrag Nummer 15 ist ein weiterer Änderungsantrag  kritisch zu betrachten. Auch er ist im TSVG Gesetz versteckt.
“Inhaltlich sieht der Änderungsantrag (gekennzeichnet als Nr. 28) die Einführung eines § 94a in das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) vor, durch den das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in die Lage versetzt werden soll, per Verordnungsermächtigung neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden unabhängig von einer Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzunehmen.
Explizit soll dies auch für Methoden gelten, deren Nutzen nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin noch nicht belegt ist oder die vom G-BA bereits abgelehnt wurden.” Zitat aus der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) mit 179 Fachverbänden u.a. der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP).4
Diese äußert zusätzlich dazu:
“Vertrauen ins Gesundheitssystem könnte(n) durch die vom BMG  (Gesundheitsministerium) beantragte Praxis der Verordnungsermächtigung leiden (…). Die DGSP befürchtet, dass das neue Gesetz zum Türöffner für Interessenvertreter werden kann, die sich nicht an den Grundprinzipien von Evidenzbasierung, Selbstverwaltung und Selbstbestimmung orientieren. Patient*innen könnten so eher ungetesteten und sogar schädlichen Therapieformen ausgesetzt sein.”5

Verordnung einer neuen technischen Infrastruktur (Telematik) für die Online Patientenakte in Psychotherapie Praxen
Im Zusammenhang der hier bereits im ersten Teil (TSVG I) diskutierten Neuregelung einer “gestuften und gesteuerten Verteilung der Psychotherapieplätze” im TSVG, wird  zusätzlich eine neue technische Infrastruktur in den Psychotherapie Praxen verordnet für eine “sichere Datenautobahn”, die Telematikinfrastruktur für die “verbesserte” Erfassung und Verbreitung von Gesundheitsdaten des Bürgers nach Einführung der neuen elektronischen Gesundheitskarte bzw. der Online Patientenakte unter dem Motto: “Qualität der medizinischen Versorgung verbessern, sowie die Rolle der Patienten stärken.”6
In der Öffentlichkeit trat dieses neue Vorhaben einer Online Patientenakte im Jahr 2018 kaum in Erscheinung. Die alte Gesundheitskarte – seinerzeit vielfach bekämpft und kritisiert – ist out, sie hat scheints “nicht funktioniert”.

Das  Gesundheitsministerium hatte den Arzt- und Psychotherapie Praxen verordnet, einen Telematikanschluss bis zum Jahresende 2018 einzurichten, und  drohte mit finanziellen Sanktionen. Alle Behandler, Apotheken und Krankenhäuser müssen sich an das Internet anschließen lassen, das heißt die technische Infrastruktur dafür selbst anschaffen – zwangsweise, wenn auch mit massiver finanzieller Förderung vom Staat.
Zunächst nur eine Zwangsvernetzung, mit den Stammdaten der Patienten, die aber nach Willen des Bundesgesundheitsministers zu einer zentralen Speicherung aller Patientendaten führen soll. Das heißt, alle sollten ab dem 01.01.2019 an ein Netz, das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den gesetzlichen Krankenkassen betrieben wird, angeschlossen sein.

Die Führungsorganisation für das Projekt, die “Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH” (Gematik) hat ihren Sitz in Berlin. Sie wurde 2005 von den Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens gegründet. Hinter ihr stehen der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer, der Deutsche Apothekerverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.7

Kritik und Widerstand gegen  die Installation der Telematikinfrastruktur
Dann die Schlagzeile  “Bundesgesundheitsministerium verschiebt die Anschlussverpflichtung für die Praxen auf 2019”, denn 80 Prozent der Praxen hatten sich noch nicht angeschlossen.

Das Vertrauen in die Kassenärztliche Bundes-Vereinigung  ist eigentlich groß, die Digitalisierung in der Medizin verantwortungsvoll zu entwickeln, obwohl diese selbst im Falle eines DSGVO-Verstoßes straffrei bliebe. Bei staatlichen Behörden unterstellt man loyales Funktionieren.8
Grundsätzlich wird die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens von den Befragten positiv gesehen”, schreibt die Ärzte Zeitung. “Für 56 Prozent der Ärzte und 61 Prozent der Apotheker überwiegen die Vorteile, nur 28 beziehungsweise 24 Prozent sehen eher Nachteile. Positiv bewertet werden vor allem eine beschleunigte und vereinfachte Abrechnung mit Krankenkassen und der bessere Austausch mit den Patienten und anderen Ärzten. Sorgen bereiten den Ärzten und Apothekern hingegen ein höheres Risiko von Cyberkriminalität und der Schutz der sensiblen Patientendaten.” “Dennoch will mehr als ein Viertel der Ärzte zunächst die weitere Entwicklung abwarten, oder sie äußern Zweifel daran, dass das System aktuell funktionsfähig und mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar ist.”9

Das Online Magazin “Telepolis” fragt Ende November 2018, “Wer braucht die zentrale Patientendatei?” und gibt einen informativen Überblick über die Situation.10
Das “Kollegennetzwerk Psychotherapie” teilt mit: “25% der Ärzte werden verweigern und voraussichtlich 93 % der Psychotherapeuten.”

In München fand im Januar 2019 ein Aktionstag gegen das Gesetz zur Regelung derTelematikinfrastruktur statt und am 23.01.2019 eine Diskussion von Ärzten und Psychotherapeuten mit Bundestagsabgeordneten, ebenfalls in München.11

Wikipedia äußert sich sehr kritisch “Alle Behinderten und ihre Freunde und Angehörigen müssen über diese Änderungen im SGB V äußerst alarmiert sein – in der Nazizeit konnte man Behinderungen noch vertuschen und vor den Sterilisations-Beauftragten verstecken.”12

Nochmal Dieter Adler: “Gesundheitsdaten sind nicht nur persönliche Daten oder Persönlichkeitsdaten. Gesundheitsdaten sind Teil der Persönlichkeit jedes Menschen und stehen damit unserer Meinung nach unter dem Schutz der Artikel 1 (Würde des Menschen) und Artikel 2 (Recht auf persönliche Entfaltung und körperliche Unversehrtheit) des Grundgesetzes. Diese Büchse der Pandora, die schon einen Spalt offen steht, gehört sofort geschlossen.”13

Neue (Pseudo-)Präzision durch die Digitalisierung bringt ungeahnte Folgen für die Arbeit im Gesundheitswesen mit sich, über die viel mehr nachgedacht werden sollte. Ganz abgesehen von juristischen Problemen bzw. Fehlern, die kostspielige Abmahnverfahren auslösen könnten.

Die Ärzte Zeitung bringt neben technischer lnformation zur Telematik auch einen offenen Brief einer Gruppe von IT-Experten und Datenschutzbeauftragten an den Gesundheitsminister zur Kritik des TSVG, in dem Sorgen um die IT-Sicherheit im Gesundheitswesen ausgesprochen werden. Zugleich sei die Tragweite möglicher Risiken weitgehend noch nicht erkannt, und es fehle somit häufig an einer laut Datenschutzgrundverordnung eigentlich notwendigen Datenschutz Folgenabschätzung und entsprechenden Vorkehrungen: „Die Begeisterung über die Technik trübt den Beteiligten offenbar den Blick auf die Risiken“ heißt es in dem offenen Brief.
“Die künftig im Gesundheitswesen tätigen verantwortlichen Ärzte, Ingenieurinnen, Informatiker, Psychologinnen und Kaufleute werden vielfach hohe Risiken eingehen (müssen)…. Diese Menschen sollten wohl bereits während ihres Studiums lernen, wie mit Risiken umzugehen ist, wie Datenschutz-Folgenabschätzungen durchzuführen sind, wie Institutionen und Prozesse verantwortungsbewusst organisiert werden können, sodass ihr jeweiliges (nicht akademisches) Personal in der Lage versetzt wird, Patienten/Versicherte samt ihren Daten angemessen zu schützen. Unklar ist jedoch, woher wir viele Tausend Menschen nehmen wollen, die dieses Wissen vermitteln. Wir müssen jetzt darüber reden, wie wir diesen Zustand verbessern.”14

“1 %: Der Preis meiner Daten, der Preis meiner Freiheit. Wir machen bei der sog. “Telematikinfrastruktur” nicht mit!”
1000 Unterschriften wurden für dieses “Manifest gegen das Telematikinfrastruktur Diktat” gesammelt.15

Die Aktion “Stoppt die e-card” berichtet am 6.2.2019 von einer Petition mit 806.361 Unterschriften.16

Unvereinbarkeit von europäischer Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und E-Health Gesetz II
“Während die DSGVO Zustimmung fordert, Rechte einräumt und versucht, die Daten von Menschen zu schützen, werden Monat für Monat 10.000 Arztpraxen und Ambulanzen an die Telematikinfrastruktur angeschlossen. Betrachtet man die E-Card, die sogenannte ‘elektronische Gesundheitskarte’ als Schlüssel, dann bildet die Telematik die Schließanlage, hinter der später einmal die Gesamtheit der deutschen Gesundheitsdaten aufbewahrt werden soll. Gegenwärtig dient die Telematik in den Arztpraxen jedoch nur zur Schlüsselüberprüfung. Zu mehr taugt das aktuelle System des „Stammdatenabgleichs“ nicht. Die Pläne von elektronischen Arztbriefen, elektronischen Rezepten oder telemetrischem Arzt-Patienten-Kontakt waren schon immer ein bisschen ambitioniert, jetzt sind sie, durch die DSGVO, zur Utopie geworden. Die irritierende Gegenläufigkeit, des in der Öffentlichkeit als belastend empfundenen Schutzgesetzes, bei gleichzeitig geräuschloser Umsetzung einer kritischen Technologie (der es jedoch an Alltagstauglichkeit mangelt) trägt eine bizarre Ambivalenz in die Diskussion um diese Zusammenhänge,“ sagt Dr. Stefan Streit, Allgemeinmediziner und Hausarzt und diskutiert die praktische Bedeutung dieses Dilemmas auch für die ärztliche Schweigepflicht17 im Juli 2918 in einem Vortrag auf dem Chaos Communication Congress.18

“Unbestimmtheit” als Wert für persönliche Freiheit
Wer hätte vermutet, dass die Digitalisierung – abgesehen von juristischen Unsicherheiten – einen derartigen Einschnitt mit sich bringt für die alltäglichen Routineabläufe einer ärztlichen Praxis.
Der Referent S. Streit benennt die “Unbestimmtheit” als eine “eigene Werte-Kategorie”, “eine andere Lebenswirklichkeit” vor der Digitalisierung, die jetzt alles schärfer trennt. Er meint, ohne diese traditionelle Unbestimmtheit sei Gesundheit nicht denkbar und verknüpft sie mit der Schweigepflicht. Als Beispiel nennt er die Feststellung genetischer Dispositionen, die bis heute nur durchgeführt werden darf, wenn der Patient sich vorher ausdrücklich dafür dafür entschieden hat.
Diese Überlegungen eines ärztlichen Praktikers verdienen Aufmerksamkeit und sollten weiter ausgearbeitet werden unter dem Motto “Nicht alles machen, nur weil es technisch möglich ist”. Wachsamkeit ist geboten, damit durch die Digitalisierung unseres Lebens, hier eine falsche Gründlichkeit, nicht grundlegende Werte im Sinne unserer persönlichen Freiheit verloren gehen.

Haftung der Praxisinhaber
Fast nebenbei erwähnt der Newsletter des Kollegennetzwerkes Psychotherapie, “Die Telematikinfrastruktur ist zwar völlig sicher – sie kann aber, wenn der Konnektor ‘durchläuft’, von Hackern angegriffen werden. Das kann bedeuten, dass entweder Ihr Praxis-Rechner infiltriert oder gekapert wird, oder die Telematikinfrastruktur gehackt wird. In diesem Fall haften Sie wegen grober Fahrlässigkeit, weil Sie für die IT-Sicherheit innerhalb der Praxis verantwortlich sind. Diese Fälle sind auch nicht durch die Berufshaftversicherung abgedeckt. Wir empfehlen den Abschluss einer Cyberrisk-Versicherung, die es bereits ab 600 € pro Jahr gibt.”

Verzögerung  der Telematik – Durchgreifen des Gesundheitsministers
Der Bundesrechnungshof hat schon  die Aufforderung ausgesprochen, das ganze Projekt nun endlich einmal „enger und umfassender“ als bisher zu betreiben. “Die Gematik weist alle Vorwürfe zurück und gibt an, dass man stets fristgerecht abgeliefert habe. Sie schiebt die Schuld der Industrie in die Schuhe, die nicht mit dem Bau der Geräte vorankomme. Verleugnet wird dabei von allen Seiten, dass die Telematik nicht nur ein ebenso totes Projekt ist wie der Berliner Flughafen, sondern am besten eingestellt gehört, sondern auch, dass die vorgegaukelte Sicherheit derzeit nicht einzuhalten ist”, kommentiert das Kollegennetzwerk Psychotherapie am 1.2.2019.
Das Handelsblatt titelt dann im Februar 2019:
“Spahn entmachtet Kassen und Ärzte bei der Digitalisierung.
Dem Gesundheitsminister geht die Digitalisierung des Gesundheitssystems nicht schnell genug. Die Kassen schimpfen über eine Machtübernahme per ‘Nacht- und Nebelaktion’.” “Jens Spahn will Tempo machen bei der Digitalisierung des Gesungheitswesens. Als einen Grund, warum es in diesem Bereich in den vergangenen Jahren kaum voran ging, hat der Gesundheitsminister die gegenseitige Blockade von Ärzteschaft und Krankenkassen ausgemacht. Nun legt der CDU-Politiker eine Gestzesänderung vor, mit der die Selbstverwaltung der Kassen und Ärzte praktisch aufgehoben wird. Spahn will die Kontrolle der Gematik-Gesellschaft übernehmen, die für den Aufbau eines sicheren Gesundheitsdatennetzes zuständig ist. Der Bund – vertreten durch das Gesundheitsministerium soll künftig 51% der Anteile der Gematik halten.19

Dazu  schreibt das Kollegennetzwerk Psychotherapie am 1.2.2019: “Dabei will Spahn nun endgültig Kontrolle über die Telematik übernehmen. Mit der 51-%-Regelung werden die bisherigen „Eigentümer der Gematik, also der Spitzenverband der Krankenversicherungen und der kassenärztlichen Bundesvereinigung entmachtet. Gleichzeitig setzt Spahn damit eine Politik der Verschleierung fort, die er bereits im Sommer zum Teil angeordnet hatte. Hier hatte er die Gematik angewiesen, Datenlecks und Unfälle innerhalb der Telematik nicht an die Öffentlichkeit, sondern zuerst an das Ministerium weiterzuleiten.”

Nach Jahren des Wartens geht nun alles ganz schnell. “Diese Maßnahmen dulden keinen Aufschub”, sagt Spahn, und setzt sich dem Vorwurf einer Tendenz zum Vertuschen und hektischer Eile  aus. Zeigt sich hier auch Sorge vor einem größeren öffentlichen Widerstand gegen die Online Patientenakte?

Gefährlich unsichere IT und unzureichender Datenschutz
Auf der Seite des Vereins Patientenrechte und Datenschutz e.V.,  in den Kommentaren zur Rubrik “Über uns”, haben wir eine Diskussion zur Sicherheit des Datenschutzes gefunden – schon vom Juni 2015, die wir Ihnen trotz ihrer Länge – nicht vorenthalten wollen, weil hier konkret deutlich wird, wie gefährdet die Online Patientenakte ist.
Zitat aus einem Kommentar:
“Meine Frage ist, inwieweit ist in den Diskussionen um die eCard bereits bekannt und diskutiert worden, ob die auf den Karten aufgebrachten Chips bereits gehackt wurden? Ich habe hierzu nirgends nähere Informationen gefunden.
Anlass meiner Frage ist folgender nicht-triviale Sachverhalt:
Jeremy Scahill and Josh Begley haben bereits am 19.02.2015 in ihrem Artikel “The Great SIM Heist : How Spies Stole the Keys to the Encryption Castle” https://firstlook.org/theintercept/2015/02/19/great-sim-heist/ darauf hingewiesen, dass die U.S.amerikanische NSA und das britische GCHQ die Verschlüsslungs-Keys des größten SIM-Karten-Herstellers Gemalto “gehackt” haben.
Gemalto ist ein in den Niederlanden ansässiges internationales Unternehmen, das jährlich 2 Milliarden Sim-Karten herstellt, die in allen Mobilfunkgeräten zum Einsatz kommt. Mit dem Besitz der Verschlüsselungs-Keys können beide Dienste den Datenfluss jeder zugeordneten SIM-Karte mitschneiden.
Wichtig ist nun aber, dass die Gemalto die Firma ist, die für Deutschland die Chips der Krankenversicherungskarten und der eCards (samt Lesegeräten) produziert. http://www.gemalto.com/brochures/download/german_healthcare_reader.pdf
Auch wenn ich nicht glaube, dass NSA oder GCHQ an meinen Gesundheitsdaten interessiert ist, bleibt die Frage, ob die Verschlüsselungs-Keys der eCards nicht ebenfalls bereits gehackt wurden bzw. in absehbarer Zeit ohne allzu großen Aufwand gehackt werden können. (Solche Hacks auf Patientendaten werden in Zukunft sehr lukrativ sein.) Hat jemand nähere Information dazu?
Antwort:
Ein wichtiges Thema! Da Gemalto sich als “undicht” erwiesen hat, ist davon auszugehen, dass die Dienste bei ihrem Einbruch nichts liegen gelassen haben. Schließlich ist die Maxime der NSA “Total Information Awareness”. Den Glauben, dass sie sich nicht für unsere Gesundheitsdaten interessieren, teile ich nicht. Zum einen spart “Total Information Awareness” nichts aus, nur weil man sich im Moment nicht dafür interessiert. Zum anderen bin ich sicher, dass die NSA Verwendung für die Daten hat. Eine Anwendung, der vermutlich (leider) viele Bürger zustimmen würde, ist das Aufspüren von Personen auch mit Hilfe von medizinischen Daten. Stell’ dir nur einen Abfrage nach allen Personen, die im letzten Monat wegen einer Schussverletzung behandelt wurden vor. Eine weitere Anwendung, bei der vermutlich schon mehr Bürger nicht mehr einverstanden wären, ist Rufschädigung. Auch hierfür können medizinische Daten nützlich sein, man denke nur an psychiatrische Diagnosen oder sexuelle Orientierung.
Und, last not least, meinen viele Menschen, es wäre ja nicht schlimm, wenn die NSA die Daten hat, solange sie nur nichts mit den Daten macht. Dabei wird unterstellt, dass die Daten nur in die NSA hinein aber nicht mehr heraus gelangen. Dass das nicht stimmt, sollten alle spätestens seit den Snowden-Enthüllungen wissen. Für die organisierte Kriminalität ist also die Datensammlung der Dienste durchaus auch ein interessanter Top, der sie locken könnte.”

Eine kritische Einschätzung der Datensicherheit findet sich auch bei den Datenschützern Rhein-Main.20
“Patientendaten sind immer öfter in Gefahr”, behauptet und begründet die Ärzte Zeitung schon am 18.4.2011.21

Wenig Unterstützung gegen Telematik durch Politische Parteien
Von Seiten der Parteien kommt wenig Unterstützung für den Widerstand gegen das E-Health Gesetz ll.
CDU/CSU und SPD
Zitate aus dem Koalitionsvertrag 2018:
“Grundlagen für den sicheren Austausch sensibler Daten und Informationen sowie die digitale Patientenakte sind eine verlässliche und vertrauenswürdige Telematikinfrastruktur und höchste Datenschutz- und Datensicherheits-Standards. Die Nutzung der digitalen Angebote erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Basis (Opt-In)”. (2112)
“E-Health und Gesundheitswirtschaft
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens in den nächsten Jahren.
Wir werden die Telematikinfrastruktur weiter ausbauen und eine Online Patientenakte für alle Versicherten in dieser Legislaturperiode einführen. Wir wollen neue Zulassungswege für digitale Anwendungen schaffen, die Interoperabilität herstellen und die digitale Sicherheit im Gesundheitswesen stärken. Die einschränkenden Regelungen zur Fernbehandlung werden wir auf den Prüfstand stellen. Auch die pflegerische Versorgung wollen wir mit den Möglichkeiten der Digitalisierung weiterentwickeln, so dass sowohl Pflegekräfte als auch pflegebedürftige Menschen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie neue technische Anwendungen besser nutzen können. Dazu gehört auch, die Pflege in die Telematikinfrastruktur einzubeziehen. Ziel ist zudem, Bürokratie in Diagnostik und Dokumentation abzubauen.”(4719)

Bündnis 90/ die Grünen
“Grüne warnen vor zu wenig Datenschutz bei Patienten”, schreibt das Handelsblatt.
“CSU-Politikerin Bär will den Datenschutz im Gesundheitswesen lockern. Die Grünen warnen, die Staatsministerin solle nicht „einseitig Industrie-Interessen bedienen“.22
Die Grünen sorgen sich ebenfalls um fehlende finanzielle Mittel zum Ausbau der Breitbandversorgung.
“Wir wollen sie (die Patienten) zu TaktgeberInnen der Digitalisierung im Gesundheitswesen machen. Sie müssen in den Entscheidungsgremien der Gematik vertreten sein.”
“Unser Ziel sind daher hohe Datenschutzstandards. In allen Versorgungsbereichen und für alle elektronischen Medizinprodukte müssen Datenschutz- und IT-Sicherheit ausnahmslos sichergestellt werden. Datenschutz und Datensicherheit müssen für unser Gesundheitswesen so selbstverständlich werden wie Händewaschen.”
“Mit einer solchen (elektronischen Patienten-) Akte können die Versicherten selbst entscheiden, welchem Leistungserbringer sie wann Zugriff auf welche Daten erlauben.”
“Eine elektronische Patientenakte schafft darüber hinaus neue Möglichkeiten, etwa für eine sektorenübergreifende Versorgung, für eine effizientere Versorgungsprozesse und für eine bessere Beratung und Information der Patientinnen und Patienten.”23

Die Äußerungen der Grünen zur Online Patientenakte und einer zentralen Sammlung der “Daten aller Patienten”, wie sie Jens Spahn plant, bleiben vage, und zeugen unserer Meinung nach von einem zu geringen Problembewusstsein.

Deutlich und kritisch äußert sich eigentlich nur die FDP  Bayern:
“Datenschutzfalle E-Health-Gesetz: Gegen die staatlich erzwungene Datenpreisgabe durch Ärzte und Patienten und eine zentrale Speicherung sensibler Patientendaten.
Die bayerische FDP lehnt das von der Bundesregierung geplante E-Health-Gesetz in der geplanten Form ab: Nach dem von der Bundesregierung geplanten E-Health-Gesetz sollen die Rahmenbedingungen für eine simultane zentrale Speicherung sensibler medizinischer Daten gemeinsam mit den Versichertenstammdaten geschaffen werden. Dies lehnen wir aus datenschutzrechtlichen Gründen, zum Schutz der Patientenrechte und aufgrund des Verstoßes gegen die „ärztliche Schweigepflicht“ ab. Darüber hinaus lehnen wir ab, dass die staatlich erzwungene Datenpreisgabe unter Androhung von Sanktionsmaßnahmen umgesetzt werden soll.”24
Anders die Bundes FDP:
“..dass die FDP den Prozess der Einführung der Telematikinfrastruktur beschleunigen und noch mehreren weiteren Einrichtungen (genannt werden “Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Heil- und Hilfsmittelerbringer”)  Zugriff auf Behandlungs- und Gesundheitsdaten einräumen möchte. Die FDP nimmt auch eindeutig positiv Bezug auf ‘die ELGA in Österreich oder die Sundhed  in Dänemark’, zwei Systeme der zentralisierten Erfassung und Speicherung von Patientendaten, die in ihrer Eingriffstiefe noch über das System der Gematik hinausgehen.” 25
Der Parteivorsitzende der FDP Lindner sagte in einem Vortrag u.a. über die elektronische Gesundheitskarte am 14.4.2015:
“Den Patienten sei aber die ‘Datensouveränität’ zu erhalten. Es gehe dabei vor allem um eine ‘Eigentumsfrage’, nämlich das Eigentum an den eigenen Gesundheitsdaten.”26

Aus dem “Programm für Deutschland. Kuzfassung des Wahlprogramms der Alternative für Deutschland  2017″:
“Gesundheitskarte und E-Health-Gesetz.
Medizinische Behandlungsdaten müssen aufgrund ihrer hohen Sensibilität den höchstmöglichen Schutz genießen. Die AfD lehnt die Schaffung einer zentralen Datenbank zur Speicherung vertraulicher Gesundheitsdaten ab.
Wir befürworten jedoch die Speicherung eines Notfalldatensatzes, einschließlich eines Medikamentenplans und einer Patientenverfügung, direkt auf der Karte.”27

Die Linke hatte in ihrem Antrag verlangt, die elektronische Gesundheitskarte (eGK) zu stoppen und stattdessen “patientenorientierte Alternativen” zu entwickeln.”(2015)28
“Auch Kathrin Vogler (Linke) bezweifelte, dass eine derartige „Mega-Datensammlung“ genügend gesichert werden könne. Am Ende enthielten sich die Grünen, die Linke stimmte dagegen.” Tagesspiegel vom 4.12.2015.29
Aus dem Archiv der LINKEN: “Die Erfahrung zeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch das vorbildlichste Verschlüsselungssystem gehackt wird.
In Großbritannien wird ein ähnliches Projekt trotz bereits investierter 14,5 Milliarden Euro derzeit abgebrochen. Die Gründe sind mit den Problemen hierzulande vergleichbar: zu hohe Komplexität, kein erweiterter Nutzen, explodierende Kosten…2017.30

Neuere Aussagen der Parteien sind schwer zu finden, würden aber eventuell 2019 deutlicher ausfallen nach den gravierenden Datendiebstählen im Jahr 2018.

Wer vertritt die Interessen der Patienten?
Von Verbraucherschützern ist scheints nicht viel kritische Überprüfung  des E-Health-Gesetzes II zu erwarten:
“Der Bundesverband der Verbraucherzentralen lobt das (E-Health) Gesetz. Bislang seien Ärzte in Deutschland ‘alles andere als gut vernetzt’, sagt Vorstand Klaus Müller. Und kaum jemand werde nur von einem Arzt behandelt. ‘Bessere Kommunikation in der Gesundheitsversorgung erspart Doppeluntersuchungen und hilft Fehler zu vermeiden, die lebensbedrohliche Folgen haben können.’ Wichtig sei aber, dass die Patienten Zugang zu ihren Daten erhielten und sich mit ihren Ärzten austauschen könnten.”31

Fachverbände in der Psychiatrie
Vom Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V.  und vom Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener BPE haben wir zu der hier besprochenen Problematik nichts gefunden,

Die Stellungnahme der DGPPN, eines der wichtigsten Fachverbände in der Psychiatrie, datiert allerdings schon von 2015 und liest sich entsprechend unkritisch,32 die der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie ebenfalls, obwohl von 2018.33

Äußerungen der Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie (DGSP) zur Datensammlung und Online Patientenakte fehlen in dem Beitrag von Richard Suhre, Geschäftsführer der DGSP, der im Deutschlandfunk über das TSVG sprach und sich nur für eine bessere Vernetzung aller Angebote äußerte, nicht über die damit verbundenen Probleme.34

Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V. (CBP) hat eine “Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)” verfasst vom 20.8.2018.
Die Caritas nimmt detailliert Stellung zu dem Entwurf des TSVG, allerdings weniger zu den hier besprochenen Problemen. Grundsätzlich fordert sie die Berücksichtigung der Interessen behinderter Menschen wie leichte Sprache, Hilfen bei der Telefonberatung, barrierefreien Zugang zu den Sprechstunden etc..35

Vom BEB, Bundesverband evangelischer Behindertenhilfe, haben wir keine Stellungnahme zum TSVG gefunden.

Abschließend ein Zitat von Wilfried Deiß.36
Auf seiner Homepage erklärt er unmissverständlich zur elektronischen Gesundheitskarte / Telematikinfrastruktur: “Wir wollen wegen Datenschutz/ Arztgeheimnis KEINE Online-Anbindung des Praxis-Netzwerkes und keine DAUERHAFTE Speicherung von Patientendaten in einem bundesweiten Datennetzwerk/ Cloud“.37
und fährt fort,
“Vielleicht sind wir ja demnächst nicht rückständig, sondern das einzige Land weltweit, in dem einerseits ein funktionierendes digitales Informationsaustausch-System im Gesundheitswesen OHNE dauerhafte zentrale Speicherung von Patienteninformationen existiert und andererseits die Arztgeheimnisse der Patienten NICHT gehackt worden sind und auch nicht gehackt werden können…

Wir Ärzte würden dann das tun, was wir seit Altertum schon immer tun sollten: Primum nil nocere. Vor allem nicht schaden. Die notwendige Abwägung von Nutzen und Schaden gilt nicht nur für Medikamente und Operationen, sondern auch für die Verwendung von Technik.

Der Gegner dieser Menschlichkeit in der Medizin sind Machtverhältnisse und Profitinteressen bei einem gleichzeitigen Defizit von Demokratie. Genau deshalb nochmal die Frage: Wissen wir, was wir tun?“

 

Anmerkungen
1 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/99326/Neues-E-Health-Gesetz-verzoegert-sich

2 https://patientenrechte-datenschutz.de/wp-content/uploads/2019/02/19_14_0051.5_TSVG_%C3%84Ae-2-27_Koa_fachfremd-Kopie.pdf

3 zitiert nach https://patientenrechte-datenschutz.de/2019/02/07/das-terminservice-und-versorgungsgesetz-tsvg-auch-ein-versuch-den-einfluss-von-unternehmensberatungen-auf-die-krankenkassen-zu-erweitern/#more-1885

4 20190115_Stellungnahme_AWMF_TSVG__94f.pdf

5 DGSP_Stellungnahme_TSVG_01_2019.pdf

6 Bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/egk.html

7 https://geschaeftskunden.telekom.de/startseite/425836/foerderung.html?gclid=CjwKCAiAs8XiBRAGEiwAFyQ-epyaIbNLdEvZHbJOz1BEtg_FhJUp2ctFusyeBEOngZUJXHbYH_qncBoCDtYQAvD_BwE&mlid=2494.574.1304133.797d7c535216d32dbc286436a997c2f5…0.1548912995.1.1551504995&wt_mc=sk_zf_574_1304133_gk-ti_1536836776_60306136444_291849034787-47602926311&wt_cc7=+ehealth

8 Das Recht auf Datenübertragbarkeit gilt – lt. SGB 10 – nicht für eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. https://www.kv-rlp.de/seiteninformationen/datenschutz/

9 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/97506/Tele%C2%ADma%C2%ADtik%C2%ADinfra%C2%ADstruk%C2%ADtur-Ein-Viertel-der-Arztpraxen-angeschlossen-ein-Viertel-will-abwarten

10 https://www.heise.de/tp/features/Wer-braucht-die-zentrale-Patientendatei-4223472

11 https://patientenrechte-datenschutz.de/2019/01/20/elektronische-patientenakte-und-telematikinfrastruktur-ti-diskussion-von-aerzten-und-psychotherapeuten-mit-bundestagsabgeordneten-am-23-01-2019-in-muenchen/

12 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vesta_(Interoperabilit%C3%A4tsverzeichnis

13 Dieter Adler, Gesundheitsdaten online, die elektronische Versichertenkarte und die Telematik, 2019.

http://kollegennetzwerk-psychotherapie.de/index.php?page=1700748124&f=1&i=1700748124

14 https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/datenschutz/article/979959/offener-brief-spahn-sorgen-it-sicherheit-gesundheitswesen.html

15 http://www.freiheit-fuer-ein-prozent.de/wp-content/uploads/2018/10/Manifest-Vorderseite-bundesweit-Stand-23-10-31.pdf

16 https://www.stoppt-die-e-card.de/index.php?/pages/petition.html

17 auf media.ccc.de suchen:
Stefan Streit, “Kurzer Prozess” – Telematik unf DSGVO in der Arztpraxis II, 26.7.2018
und
“Von Gesetzen und Grenzüberschreitungen” – Telematik und DSGVO in der Medizin Teil III, 8.9.2018

18 Der Chaos Computer Club e. V. (CCC) ist die größte europäische Hackervereinigung und seit über dreißig Jahren Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen.

19 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gesundheitspolitik-spahn-entmachtet-kassen-und-aerzte-bei-der-digitalisierung/23928228.html?ticket=ST-4296442-9sD3IknlYwfOQS4iY6Lh-ap5

20 http://ddrm.de/2015/02/20/hat-die-nsa-zugriff-auf-deutsche-patientendaten/

21 https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/praxismanagement/praxisfuehrung/article/650526/patientendaten-immer-oefter-gefahr.html

22 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/digitalisierung-gruene-warnen-vor-zu-wenig-datenschutz-bei-patienten/23796476.html?ticket=ST-4365271-y3duWSSuaj6TZ6LxfXds-ap5

23 https://www.gruene-bundestag.de/gesundheit/mehr-digitalisierung-wagen-26-07-2017.html

24 https://www.fdp-bayern.de/beschluesse/datenschutzfalle-e-health-gesetz/

25 https://ddrm.de/fdp-stellt-im-bundestag-eine-anfrage-zur-elektronischen-patientenakte/

26 https://netzpolitik.org/2015/die-fdp-auf-der-suche-nach-dem-digitalen-deutschland/#comments

27 AfD_kurzprogramm_a5-hoch_210717.pdf

28 https://www.bundestag.de/presse/hib/2015-12/-/398002

29 https://www.tagesspiegel.de/politik/bundestag-verabschiedet-e-health-gesetz-groehe-drueckt-bei-gesundheitskarte-aufs-tempo/12678554.html

30 https://archiv2017.die-linke.de/die-linke/wahlen/archiv/archiv-bundestagswahl-2013/positionen/stichworte-von-a-bis-z/e-h/elektronische-gesundheitskarte/

31 weiter dazu https://www.verbraucherzentrale.de/aktuelle-meldungen/gesundheit-pflege/psychotherapie-in-krisensituationen-soll-es-nun-schnell-hilfe-geben-13679

32 https://www.dgppn.de/presse/stellungnahmen/stellungnahmen-2015/referentenentwurf-gesundheitstelematik.html#1

33 DGVT-Newsletter_6-2018.pdf
und
Artikel_Fragen_zur_Telematik_Gerd_Nina.pdf

34 s. Der schwierige Weg in die Psychotherapie, von Katrin Sanders. 26.1.2019, https://www.deutschlandfunk.de/terminservice-und-versorgungsgesetz-der-schwierige-weg-in.724.de.html?dram:article_id=438414

35 CBP-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (TSVG) TSVG_CBP.pdf

36 Wilfried Deiß, ist seit vielen Jahren ein profilierter Kritiker der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) und der damit verbundenen Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen. https://josopon.wordpress.com/tag/wilfried-deiss/

37 Auf der Homepage von Herrn Deiß befinden sich viele lesenswerte Informationen und Stellungnahmen.” 19.1.2019
https://ddrm.de/die-begriffe-sind-die-griffe-mit-denen-wir-die-dinge-greifen-und-hoffentlich-begreifen-wer-begreift-zentrale-telematik-infrastruktur/
und
https://patientenrechte-datenschutz.de/wp-content/uploads/2019/01/DeisssW_Telematik-Infrastruktur_ist_Arztgeheimnis-Cloud-Kopie.pdf

TSVG I

Internetrecherche
Irgendwas läuft schief…
Es geht im folgenden um das “Terminservice- und Versorgungsgesetz” (TSVG). Der Protest gegen den Gesetzentwurf wird kurz beschrieben und die Frage nach der Notwendigkeit des Gesetzes gestellt. Die überfällige Kooperation und Koordination zwischen verschiedenen Psychotherapieschulen wird hervorgehoben. Unsere Schlussfolgerungen betreffen Angebote für schwer erreichbare Klienten, Fehlplatzierungen, die Berücksichtigung des sozialen Kontextes des Patienten in der Therapie, die Frage nach der telefonischen Vermittlung von Therapieplätzen und schließlich die Forderung einer neuen Enquête zur Lage der Psychiatrie im Internetzeitalter.

Irgendwas läuft schief, stellt Wolfgang van den Bergh in der Ärztezeitung fest. Gemeint ist das “Terminservice- und Versorgungsgesetz” (TSVG),  auch “Gesetz Lütz” genannt1, dessen Entwurf Gesundheitsminister Jens Spahn vor einiger Zeit auf den Weg brachte.2
Das TSVG soll unter anderem Lösungen anbieten zur besseren Orientierung von Patienten bei der Suche nach Hilfen für ihre Probleme (z. B. obligate 25 Sprechstunden/Woche) und dem Mangel an Therapieplätzen abhelfen durch passende Zuweisung von Patienten an Psychotherapeuten.

Der Protest
Während der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen das Gesetz lobt3, hat der Vorschlag, Psychotherapieplätze durch externe Fachkräfte vergeben zu lassen, bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten einen Sturm der Entrüstung entfacht. Sie empfinden das u.a. als zusätzliche Zugangshürde zu ihren Praxen.

Eine Protestpetition fand mehr als 200.000 Unterstützer und ist heute schon an Stammtischen Thema.4 Allerdings drängt sich der Eindruck auf, dass die vielen protestierenden gesellschaftlichen Gruppen sich oft wortgleich äußern und kaum eigene Überlegungen anbieten.
Der Ablehnung dieses Vorschlags des Gesundheitsministeriums standen somit kaum alternative Ideen gegenüber, wie das Problem der monatelangen Wartezeiten auf Psychotherapieplätze zu lösen sei. Das Argument der Therapeuten, die freie Wahl des Psychotherapeuten sei durch das TSVG nicht mehr gegeben, zieht nicht richtig, da diese Freiheit durch die knappen Plätze ohnehin sehr eingeschränkt ist.
Die am 1.4.2018 vom Gesetzgeber eingerichtete “Psychotherapeutische Sprechstunde”6 der jeweiligen Therapeuten reiche aus, weil sie ohne zusätzliche Prüfung durch externe Fachkräfte selbst feststellen können, ob psychotherapeutische Behandlung wirklich notwendig sei.

In dem Zusammenhang beklagt man eine “Misstrauenskultur”, den Verlust an Respekt und Achtung vor den Ärzten.Wobei die lautstarke und wortreiche Entrüstung der Therapeuten für einige interessierte Außenstehende tatsächlich die psychotherapeutische Fachwelt in einem etwas dubiosen Licht erscheinen lässt. Und mancher fragt sich, welche Bedeutung in diesen Auseinandersetzungen auch einer gewissen, ab und zu durchscheinenden Grandiosität von Psychotherapeuten zukommt.

Erfrischend  ist jedenfalls folgender Aufruf zum zivilen Ungehorsam:
“Stellen wir uns vor, wir sollen unsere Termine an die Terminservicestellen melden – und keiner macht mit! Stellen wir uns vor, dass man uns zu 25 Pflichtsprechstunden in der Woche verdonnert – und keiner arbeitet mehr als das Geforderte. Und hat stattdessen Zeit für Privatsprechstunden. Stellen wir uns vor, es sollen 5 offene Sprechstunden pro Woche angeboten werden – und keiner tut es.”8

Eine Petition auf change.org erzielte mehr als 16.245  Unterschriften und wendet sich besonders gegen die vonJens Spahn geplante, reglementierende “Staatsmedizin”.9

Notwendigkeit des TSVG?
Die Fachgesellschaft “Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde” (DGPPN) erkennt immerhin Handlungsbedarf:
“Das gut ausgestattete, aber auch hochfragmentierte deutsche Versorgungssystem ist nicht nur von hilfesuchenden Menschen, sondern auch von den dort professionell Tätigen kaum noch zu überschauen und deshalb schwierig zu navigieren, was gerade für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen gravierende Folgen hat.”10

Mit der Vorschrift einer ”gestuften und  gesteuerten Vermittlung” im TSVG wollte das Gesundheitsministerium allerdings  vermutlich zu viele Fliegen mit einer Klappe schlagen:
>Die Spreu vom Weizen trennen und feststellen, wer “wirklich” psychisch krank ist,
>Patienten Informationen über Therapiemöglichkeiten bieten,
>Wartezeiten auf einen Therapieplatz verkürzen,
>Niederschwelligkeit des Zugangs  zu den Hilfen herstellen,
>effektivere Nutzung des psychotherapeutischen Angebotes – durch bessere Erreichbarkeit der  Psychotherapeuten,11
>die Kooperation zwischen den verschiedenen Therapeuten und Therapieverbänden verbessern,
>und last but not least: “Zuführung” besonders der “schwer erreichbaren” und eigensinnigen Klienten zu psychotherapeutischen Hilfen.12
Das konnte so nicht gelingen, obwohl man diesen Problemen ihre Aktualität wohl kaum absprechen wird.

Überfällige Kooperation und Koordination
Jetzt ist Jens Spahn bereit, das TSGV neu zu verhandeln. “Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bundespsychotherapeuten­kammer sollen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gemeinsam einen Vorschlag vorlegen, wie schwer psychisch kranke Patienten deutlich schneller als bisher eine Therapie erhalten können.”13
Die zerstrittenen Psychotherapeuten verschiedener Schulen und ihre Verbände, deren  mangelhafte Zusammenarbeit bereits in der “Enquête zur Lage der Psychiatrie” von 1975 beklagt  wurde, sind jetzt gefordert, koordinierte Konzepte vorzulegen. Das dürfte mit einigen Schwierigkeiten verbunden sein. Auch wenn der aktuelle Protest vorläufig alle zu verbinden scheint, besteht doch immer noch eine Tendenz, beispielsweise neuere Entwicklungen in der Psychiatrie als neue “Schulen” zu präsentieren, anstatt vorhandenes Wissen zu ergänzen  und weiterzuentwickeln. Eine sinnvolle Integration der verschiedenen Ansätze im Interesse der Patienten ist niemals realisiert worden.14

Die DGPPN dazu:
“Schon im Bericht der Psychiatrie-Enquête von 1975 wurde in Westdeutschland die fehlende, verbindliche und strukturierte Kooperation der Leistungserbringer als Defizit beschrieben. Auch das im Juli 2018 veröffentlichte Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
empfiehlt eine bedarfsgerechte Steuerung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Neben dem Ausbau der ambulanten und tagesklinischen Kapazitäten wird dort die klare Verortung der Koordinationsverantwortung für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gefordert.“15

Die Schwierigkeiten in der psychiatrischen Versorgung sind allein mit dem TSVG natürlich nicht zu lösen. Schon gar nicht mit Androhung von Druck und Zwang.
Die Psychotherapieverbände jedoch schlagen als Lösung der augenfälligen Probleme u.a. schlicht eine Aufstockung der Psychotherapieplätze vor.16 Und neben einer Evaluation der Terminservicestellen (TSS) eine befristete Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen wie im TSVG für Innere Medizin, Rheumatologie und Kinderheilkunde vorgesehen.17

Letzte Meldung des “Kollegennetzwerkes”: Spahn hat 3000 bis 3500  neue Zulassungen für Psychotherapiepeaxen versprochen.18

Unsere Schlussfolgerungen
1. Angebote für “schwer erreichbare” Klienten
Die geplante “Zuführung” besonders der “schwer erreichbaren” Klienten zu psychotherapeutischen Hilfen wird mit den vorgesehenen Vermittlungsgesprächen eher schlecht gelingen.
Es geht um Menschen mit großen psychischen Problemen, die sich der üblichen Behandlung entziehen, die keine Kommstruktur gewohnt sind, die  mit dem unsäglichen Begriff “Wartezimmerunfähige” belegt werden.19
Viele niedergelassene Psychotherapeuten sind immer noch der Meinung:  ”schwierige Fälle gehören stationär untergebracht”. Solange für diese Therapeuten, die sprichwörtliche “freie Patientenwahl” besteht, wird sich wohl nicht viel an der Zugänglichkeit der Psychotherapie für schwer erreichbare Klienten ändern.20
Jeder Praktiker weiß auch, dass psychiatrische Kliniken in der Regel wenig Anstrengung unternehmen, nach Klinikentlassung an Nachsorgeeinrichtungen oder weitere Therapie Angebote zu vermitteln, und zwar so, dass  Patienten dort auch landen.21

Gerade für diesen Personenkreis müsste die Möglichkeit geschaffen werden, verschiedene Therapieangebote gleichzeitig zu nutzen, bzw.  zwischen ihnen zu wechseln. Beispielsweise regelmäßige Begleitung in einem multiprofessionellen Sozialpsychiatrischen Dienst und gezielte Verhaltenstherapie.
Vorgeschriebene, regelmäßige Gruppenintervision der beteiligten Therapeuten könnte schwierige Vermittlungsaufgaben dann eventuell erleichtern.
Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Munz fordert: „Der Gemeinsame Bundesausschuss sollte den Auftrag erhalten, für diese schwer und meist chronisch kranken Patienten eine ambulante multiprofessionelle Versorgung zu ermöglichen.“22
In den bayerischen sozialpsychiatrischen Diensten liegen seit Anfang der 80er Jahre viele Erfahrungen zu einer solchen multiprofessionellen ambulanten Arbeit mit genau dieser Zielgruppe vor. (s. Übersicht über alle Hefte der hilfe Bätter von EREPRO)

2. Fehlplazierungen vermeiden
“Psychotherapie  ist kein „Wieder-Fitmachen“ von Menschen, um am Arbeits- und  Konsumprozess wieder teilnehmen zu können, sondern ein Prozess. Ein  Prozess, der eine Entwicklung beim Patienten in Gang setzen soll, “ so heißt es in einem “Kollegennetzwerk Psychotherapie” für 9000 Psychotherapeuten. In deren wöchentlichem Newsletter wird ein großer Klärungsbedarf für solche Abgrenzungsfragen deutlich.

Das Interesse der Patienten, im Gespräch ihre Person in den Mittelpunkt zu stellen und an persönlichen Entwicklungen zu arbeiten, ist – unserer Erfahrung nach – viel geringer als allgemein angenommen.  Es könnte bei der “diagnostischen Abklärung” in der eigenen Sprechstunde von den Psychotherapeuten überschätzt werden.
“Bei rund 42 Prozent der Ratsuchenden ergibt die diagnostische Abklärung in der Sprechstunde, dass keine  Richtlinienpsychotherapie23 notwendig ist, weil keine krankheitswertige Störung besteht. Psychotherapeuten sollten dann Angebote zur Prävention und Selbsthilfe empfehlen oder an eine Beratungsstelle  verweisen. Je nach Art der Erkrankung können auch eine Krankenhausbehandlung, medizinische Rehabilitation, eine fachärztliche Behandlung oder eine Soziotherapie veranlasst werden.”24
Es gibt also viele Hilfesuchende, denen mit anderen Angeboten wesentlich besser geholfen wäre. Richtlinienpsychotherapie muss häufig “aushelfen”, weil es heute zu wenig andere Auffangsysteme gibt (oder nicht bekannt genug sind!) wie kirchliche Aktivitäten, Vereine, Selbsthilfegruppen, Kontakt- und Beratungsstellen etc..

“Die Einzelpraxis ist kein Auslaufmodell, aber ein Modell von vielen, es braucht mehr Vielfalt und Flexibilität,” bekundet das Bundesgesundheitsministerium.25

Dass Menschen ihren verständnisvollen PsychotherapeutIn mit einem Freund verwechselten, und die Feiertage, an denen sie ihre  Einsamkeit besonders spüren, wie Weihnachten und Ostern mit ihm/ihr verbringen möchten, kann man immer wieder in den Medien lesen.
“Zwischen Heiligabend und Neujahr habe die TSS Leitstelle in Berlin 13.000 Anrufer betreut, sagt Dörthe Arnold, Sprecherin der KV Berlin. Die Beratungsärzte am Telefon konnten 2.000 AnruferInnen bereits am Telefon abschließend helfen.” 26

Wie weit Vielfalt und Flexibilität von Therapie in der Psychiatrie wegen der Festschreibungen durch das obligate klassische ICD-Diagnostizieren in der Richtlinien-Psychotherapie konterkariert wird, stellen wir anheim.27  Diese Etikettierung des Klienten – so unsere Erfahrung – kann gelegentlich den Blick verstellen für die Heilsamkeit von Hilfen außerhalb der eigenen Praxis.

“Patienten, die zu uns kommen, wollen nicht primär ihre Symptome loswerden, sie möchten vor allem, dass es ihnen besser geht, sie möchten mehr Lebensqualität haben und mehr Wohlbefinden verspüren.”28

Es gibt offensichtlich eine beträchtliche Zahl von Fehlplatzierungen in der Richtlinien-Psychotherapie. Das  sollte zu denken geben angesichts fehlender Psychotherapieplätze.29

3. Den sozialen Kontext des Patienten einbeziehen.
Der therapeutische Blick sollte nicht nur auf das Individuum mit seinen Schwiergkeiten gerichtet werden, sondern statt oder neben einer ICD 11 Diagnose schon in der vermittelnden Terminservicestelle eine erste Analyse der Lebensweltfaktoren und der Belastungen in Arbeit und Familie leisten. So  wird eine passendere Zuweisung an nicht psychotherapeutische Hilfsangebote wie einschlägige Beratungsstellen möglich, und dadurch nicht nur die Nachfrage nach Psychotherapieplätzen reduziert, sondern auch eine immer stärkere Pathologisierung unseres Alltags verhindert.
“Wir haben sehr viel Wissen darüber, wie bestimmte Lebensweltfaktoren, Kontextfaktoren in der Arbeits- und Familienwelt Einfluss auf die psychische Gesundheit von Menschen haben”, sagt Heiner Keupp, Vertreter der Gemeindepsychologie.30
Was in den 80er/90er Jahren fast selbstverständlich erschien, nämlich den sozialen Kontext einzubeziehen, tritt heute in der psychiatrischen Arbeit immer mehr zurück.
Deshalb fordern wir eine verbindliche Verpflichtung, diesen lebensweltlichen Aspekt in den Terminservicestellen bei der Vermittlung von Psychiatriepatienten zu berücksichtigen.

4. Telefonische Vermittlung erfolgreicher?
Eine alte Erfahrung der Praktiker in der Psychiatrie: Weitervermittlung von einem Therapeuten zum anderen gelingt selten.
Auch aus den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen wird über den kritischen Punkt berichtet. Allerdings liegen unterschiedliche Zahlen vor 45% (?) bzw. ein Drittel oder 20%31 der vermittelten Termine werden demnach nicht wahrgenommen.
Menschen mit psychischen Schwierigkeiten haben oft ein großes Bedürfnis nach menschlicher Nähe. Bei einem persönlichen, vertrauensvollen Vermittlungsgespräch kann eine Bindung entstehen. “Weiter geschickt” zu werden erlebt derjenige dann schnell vor allem als Ablehnung und Kränkung. Die Vermittlung kommt somit nicht zustande.

Ein telefonischer Kontakt mit wechselnden Vermittlern ist demgegenüber möglicherweise sinnvoller als direkte Beratungsgespräche zur Weiterleitung des  Hilfesuchenden. Die erwähnten Erfahrungen der Berliner TSS Leitstelle könnten das ebenfalls nahelegen. Erfahrungen der Telefonseelsorge und von Krisendiensten könnten zur Diskussion dieser Frage herangezogen werden. 32

Die fachkundigen Vermittler am Telefon müssen allerdings sehr gut geschult sein, um beispielsweise Suizidalität der Anrufer erkennen zu können. Sie sollten neben ihrer fachlichen Qualifikation regional verankert sein, die lokale Szene und Initiativen kennen und sich mit Psychiatrieerfahrenen vor Ort abstimmen. Sie sollten sich bei der Vermittlungsarbeit soviel Zeit nehmen können, wie sie brauchen.

5. Neue Enquête zur Lage der Psychiatrie im Internetzeitalter erforderlich.
Die hier skizzierten Themen  zur psychiatrischen Versorgung sind zu komplex, um sie mit einem Schnellschuss aus der Hüfte anzugehen, wie der neue Gesundheitsminister Jens Spahn es scheint’s versucht.
Dabei wird eine Unsicherheit auf dem Gebiet der Psychotherapie deutlich sichtbar, die in eine ehrliche Fachdiskussion münden könnte.
Die bereits vielfach erhobene Forderung nach einer neuen Enquête-Sachverständigenkommission, 40 Jahre nach der letzten großen Reform, könnte dadurch Unterstützung finden.
Vertreter der aktuell angebotenen Formen psychiatrischer Hilfen müssten sich zusammenraufen, um eine neue “Enquete zur Lage der Psychiatrie im Internetzeitalter” zu erarbeiten, deren Vorschläge unter Berücksichtigung der entsprechenden Chancen und Belastungen der Bürger dann Grundlage sein könnten für Pläne zur gesundheitlichen Versorgung und entsprechende gesetzliche Maßnahmen.
Diese Forderung wird besonders relevant im Zusammenhang mit einem zweiten Artikel von EREPRO. dabei geht es vor allem um Chancen und Gefahren der neuen Informationstechnik und der zentralen elekronischen Erfassung aller Patientenakten.

Um der Forderung mehr Gewicht zu verleihen sei noch einmal die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde zitiert:
“Damit eine verbindliche integrierte Versorgung zu spürbaren Verbesserungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen führen kann, sollten auch Vergütungsanreize für die Koordination des Netzwerkes oder für das Ausüben einer Lotsenfunktion seitens der Kostenträger geschaffen werden – eine Forderung, die derzeit auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen vertritt.
Von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung von innovativen Versorgungsformen wird auch die wissenschaftlich fundierte Konzeptentwicklung, Erprobung, Implementierung und vor allem Evaluation im Rahmen der Versorgungsforschung sein. Zur Überwindung der Sektorengrenzen als auch der Partialinteressen von Leistungserbringern und Kostenträgern ist der Gesetzgeber gefordert, Anreize, aber auch Verpflichtungen für eine gestufte sektorenübergreifende Versorgung zu schaffen. Nur so wird diese einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und zur Sicherung des Patientenwohls leisten können.”33

 

Es folgt hier in Kürze die Darstellung weiterer Teile des Entwurfs für ein Terminservice- und Versorgungsgesetz.

Anmerkungen

1.s. Kollegennetzwerk Psychotherapie, Freitags-Newsletter 19.10.18

2. Erste Diskussion des Gesetzes im Bundestag am 13.12.2018: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/terminservice-und-versorgungsgesetz.html
und
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/972/to-node.html dort PDF Dokument Nr. 504/1/18
und
https://www.aerztezeitung.de//politik_gesellschaft/berufspolitik/article/973991/standpunkt-vertrauensverlust-sorgt-miese-stimmung.html?ref=kasten_rechts

3. http://www.taz.de/!5566407/

4. zur Diskussion darüber
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2018/_10/_25/Petition_85363.$$$.page.3.batchsize.10.html#pagerbottom

5. Man spekuliert über Jens Spahns Unwissenheit und Beeinflussung durch seine persönliche Bekanntschaft mit dem Psychiater Lütz, seine unsachgemäße Motivation – nur Ambitionen auf höhere Ämter etc.. s. “Kollegennetzwerk Psychotherapie”, Freitags Newsletter vom 19.10 18

6.https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/p/psychotherapeutische-sprechstunde.html

7.https://www.aerztezeitung.de//politik_gesellschaft/berufspolitik/article/973991/standpunkt-vertrauensverlust-sorgt-miese-stimmung.html?ref=kasten_rechts

8. http://www.freiheit-fuer-ein-prozent.de/

9.https://www.change.org/p/gesundheitsminister-jens-spahn-wir-werden-nichts-tun-herr-gesundheitsminister-spahn-d8262393-fb27-4686-9e8c-f276bc341943?recruiter=168108774&utm_source=share_petition&utm_medium=facebook&utm_campaign=share_petition&utm_content=fhtdec-13930369-de-de%3Av6&fbclid=IwAR1WawHtzlLnl2B6c9C_XOm_sfpyBUF-V-6aJcwhvjcJgMju0wp3YktQAwU

10. DGPPN  Standpunktepapier Web.pdf

11. Für die  vermittelnden Terminservicestellen soll gelten: Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit unter der einheitlichen Nummer 116 117. Man will Hilfesuchende dazu bringen, bei akuten Beschwerden erst einmal diese Nummer zu wählen, um dann an eine geöffnete Praxis oder einen ärztlichen Notdienst vermittelt zu werden und eben nicht gleich in die Notfallambulanz eines Krankenhauses zu gehen.

12.https://www.deutschlandfunk.de/terminservice-und-versorgungsgesetz-der-schwierige-weg-in.724.de.html?dram:article_id=438414

13. Kollegennetzwerk Psychotherapie Freitags-Newsletter 25.1.2018

14.https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=2446&cHash=72d5e7eb10439562968352e89712784e

15. DGPPN _ Standpunktepapier web.pdf

16. Für ländliche Regionen und für das Ruhrgebiet werden 1500 zusätzliche Therapieplätze gefordert.

17https://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/kurzfristig.html

18. Freitags Newsletter vom 8.2.2019

19. https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=2446&cHash=72d5e7eb10439562968352e89712784e

20. Ein geflügeltes Wort sagt: Die Möglichkeit der freien Arztwahl ist heute längst nicht mehr gegeben, man könnte eher von einer “freien Patientenwahl” der Ärzte reden.

21.https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2018/_10/_25/Petition_85363/forum/Beitrag_614207.$$$.einsprung.614269.tab.2.batchsize.10.page.0.html?suchesubmit.x=20&suchesubmit.y=13

22. https://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/erfolge-der.html

23. Psychotherapieformen, die derzeit auch von vielen privaten Versicherungen übernommen werden und in entsprechenden Richtlinien definierten Antragsverfahren unterliegen, werden “Richtlinien-Psychotherapie” genannt.

24.https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/99758/Psychotherapeutische-Sprechstunde-steuert-die-Versorgung
und
http://r.news.kollegennetzwerk.de/mk/cl/f/ga7qlYH6C92VmWCXl-vy3Dawd1u3Jj95RRyV4PYpKr2Y-e2gmJs1PnunbwQJUl879dQsZsLDSBqnq9dN1JxMYqOeQa0an23FBS14_oTGe9qmL667PM8ytAhKFC5c9fodrErNyIB9WkwNhlcGYO_jjyHXJCCmXgW3TQSr4TzPWjV152mbm6Df53aq0DIAHzBUBWE6LztgCurj8SBPGoUbvgyAYZi6ZSLHLvV4nVGC-_lMguYNzKX7kFuyJn52Nug0xCEkkFQaPAU_3gGO1FFsh_nD3avMMNuuAuBfRGSoRk_czBbZWg

25.https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/p/psychotherapeutische-sprechstunde.html

26. http://www.taz.de/!5566407/

27. In der eigenen Praxis, in den Terminservicestellen (TSS) und später durch Gutachter zur Finanzierung  der Therapiesitzungen – ein in der Regel zu sinnloser Routine erstarrtes Verfahren.

28. VPP1-12_Bergold_Jaeggi.pdf

29. https://www.svr-gesundheit.de/index.php?id=606

30. VPP4-13_Keupp_Kraiker.pdf

31. Terminservicestelle_Barjenbruch.pdf

32.https://scholar.google.de/scholar?q=Untersuchungen+%C3%BCber+Telefonseelsorge&hl=de&as_sdt=0&as_vis=1&oi=scholart

33. DGPPN _ Standpunktepapier web.pdf. Hier  werden viele Vorschläge zur Verbesserung der Versorgung diskutiert.

Warnung vor PatVerfü

Die Patientenverfügung PatVerfü entstand als Abwehrmöglichkeit für Zwangspsychiatrie zu Zeiten des Dramas um G. Mollath.
Sie wurde per Videoclips u.a. von Nina Hagen beworben. Auch EREPRO hat sich positiv darüber geäußert. Für besonders problematisch halten wir es, dass körperliche Implikationen der Verfügungen  nicht genügend bedacht wurden …

Die jetzt vom Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. (BPE) geäußerten Bedenken sind unbedingt zu beachten. Darum zitieren wir das gesamte Schreiben aus dem BPE Rundbrief 4/2018.
Wir begrüßen es, dass der BPE eine entsprechend verbesserte Patientenverfügung erarbeiten will.

“An die Mitglieder des BPE zur Information

Liebe Mitherausgeber der PatVerfü,

hiermit kündigt der Vorstand des BPE e.V. seine Patverfü-Mitherausgeberschaft mit sofortiger Wirkung. Wir halten diese Vorausverfügung nicht mit den existenziellen Interessen Psychiatriebetroffener vereinbar und bitten euch, unsere Organisation als Mitherausgeber auf allen digitalen und analogen Dokumenten zu streichen.
Gründe:
(1) Die Patverfü bietet Raum für zehn Personen, denen als Vorsorgebevollmächtigten für die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge Blankovollmachten erteilt werden sollen; Warnungen vor einem möglichen folgenschweren Missbrauch dieser aberwitzigen Blankovollmachten fehlen komplett.
(2) Die Patverfü kann die Unterzeichner mit der vorformulierten strikten Ablehnung jeglicher Behandlung in einer Ambulanz oder einem Krisendienst potenziell in Lebensgefahr bringen: wenn beispielsweise eine starke Blutung nicht mehr gestillt oder ein Herzstillstand nicht mehr behandelt werden darf, weil die Betroffenen im Zustand der Bewusstlosigkeit ihre Verfügung nicht mehr widerrufen können.
(3) Der Patverfü fehlt die Benennung eigener Erfahrungen, möglicher Krisensituationen und alternativer Lösungswege in psychosozialen Krisen, was aber auch heute noch (auf Grundlage des § 1901a BGB) als dringend erforderlich anzusehen ist, um die bei Ablehnung anstehender Verabreichungen von Psychopharmaka und Elektroschocks von Psychiatern immer wieder angezweifelte Selbstbestimmungsfähigkeit beim Abfassen der Patientenverfügung zu belegen und dem Einwand zu begegnen, man hätte sich keine ausreichenden Vorstellungen über eine zukünftige Krisenbewältigung gemacht.
Der BPE holt sich Rechtssicherheit ein und erstellt unter dieser Prämisse eine eigene geeignetere Patientenverfügung.
Wir bitten um Euer Verständnis.

Freundliche Grüße
Der Vorstand des BPE”