Archiv für den Monat: Juli 2012

Wie man Patienten ganz bewusst täuscht: Das müsste man ändern! von Angelika Kurella

Zum Wohle des Patienten? Darf man so handeln? In diesem  Bericht beschreibe ich die Vorgehensweise einer Klinik in Bezug auf die Entlassung eines Patienten, der unter gesetzlicher Betreuung steht, egal ob er per Gerichtsbeschluß oder auf freiwilliger Basis in Behandlung auf einer geschlossenen Station „verwahrt“ wird.

So habe ich schon einige Male hautnah miterlebt, wie die Patienten belastet werden – und wenn ein Patient sich dann nicht beherrschen kann, wird er erneut festgesetzt. Für mich ist das eine ganz gemeine Art und Weise, und der Leidtragende ist der Patient.

Zum Beispiel eine Frau, die bereits ein Jahr nur auf der Geschlossenen untergebracht ist. Ihr wird mitgeteilt, vom Arzt, dass sie am ….2011 entlassen wird. Ihre Freude ist groß, der Tag kommt, und die Patientin hat ihre Reisetasche gepackt. Auch ich sitze wie die Patientin im Raucherraum und freue mich, dass Frau …. Heute endlich wieder in ihre Wohnung darf und die lang ersehnte Freiheit hat. Ein Arzt kommt in den Raucherraum zu Frau … und sagt: „Eben habe ich mit ihrer gesetzlichen Betreuerin am Telefon gesprochen und sie erlaubt es nicht, dass sie, Frau … heute entlassen werden.“ Ich war wie „vom Donner gerührt“. Der Arzt wandte sich ab. Bevor er jedoch die Türe zum Hinausgehen öffnete, fing die Patientin an zu schreien, und zwar so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten mußte.

Es kam ein Schwall von ordinärsten Ausdrücken, die ich nicht wiederholen möchte, und alle galten der gesetzlichen Betreuerin. Das Schreien hörte man bis in das letzte Zimmer der Station, und es war zwecklos, die Patientin zu beruhigen. Sie rannte durch die Gänge.

Wie kann man so ohne Rücksicht auf die Patientin vorgehen? Ich war sprachlos und sehr erschrocken.

Vor kurzem hatte ich ein Telefonat mit einer Richterin und einem Verfahrenspfleger. Beide wußten sehr gut, wie die Ärzte handeln, und beide sind wie ich der Meinung, dass es doch ganz anders sein könnte. Nämlich, dass man zuerst die Betreuung informiert und wenn ein – NEIN – käme, ganz einfach der Patientin gar nichts sagt. Frau … könnte frei sein! Ganz klar, dass ein Patient nicht einfach seine Reisetasche wieder ausräumt, denn das wäre eben nicht normal. Frau … war stabil. Jetzt hat sie keine Ziele mehr. Nach einem Jahr Aufenthalt wurde die genannte Frau ganz einfach in eine Einrichtung für psychisch Kranke überwiesen, da soll sie nun bleiben bis zu ihrem Ableben. Ihre Wohnung wurde durch die Betreuerin gekündigt. Die Patientin ist knapp 60 Jahre alt. Die Frau weinte schrecklich und sagte: „Augsburg ist meine Heimat, ich bin doch nicht so krank, dass ich in eine „Dauereinrichtung“ muß!“ Suizidgefahr??? Leider ist diese Patientin jetzt erneut auf der geschlossenen Station verwahrt. Nun hat sie auch ihren Lebensmut verloren. Ihr kann ich jetzt auch nicht mehr helfen. Jetzt zeigt sie das Krankheitsbild, dass die „neue“ Unterbringung erforderlich macht. TRAURIG! Sie will nicht mehr leben!!! Ihr Sohn lebt in den USA, sie bleibt in einem Altenheim auf dem Land.

Fixierung – diese Behandlung würde man keinem Tier zumuten

Heute erhielten wir von der Saarbrücker Anlaufstelle für Selbstbestimmt Leben (ASL)
in einer Mail (asl-sb@gmx.de) diese Information:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leute,

ein bei einem Zimmerbrand in der psychiatrischen Bezirksklinik Mainkofen gestorbener Patient ist an seinem Bett fixiert gewesen und konnte sich nicht aus eigener Kraft retten. Der Bayerische Landesverband Psychiatrie-Erfahrener fordert, dass Fixierungen von Patienten nur noch in Kombination mit einer Sitzwache vorgenommen werden sollten. Zudem müssten Zwangsbehandlungen in Psychiatrien eingestellt und Patienten auf anderem Wege beruhigt werden, meldet der Münchner Merkur am 4.07.: http://www.merkur-online.de/nachrichten/bayern-lby/grausam-patient-stirbt-feuer-bezirksklinikum-fixiert-2377739.html Die vollständige Pressemiteilung des Bayerischen Landesverbands Psychiatrie-Erfahrener vom 2.07. findet sich an dieser Stelle: http://www.psychiatrie-erfahrene-bayern.de/info.html

Wir schließen uns – ohne Wenn und Aber der Forderung an, dass

Fixierungen von Psychiatriepatienten, die schon in vielen Fällen (wie vielen?) tödlich verliefen, verboten werden müssen.

Im Juli 2012 wurde uns per Post folgender Bericht zum Thema “Fixierung in Psychiatrischen Kliniken” zugeschickt. Die Autorin ist uns seit Jahren bekannt und vertrauenswürdig.

Seit 13 Jahren kämpfe ich für Patienten, die leiden – unter ihrer Behandlung.
Gibt es das Recht Kranke zu quälen?

„Angelika, schreib das auf!“
„Ja, meine gute Freundin, das mache ich gleich morgen, denn dieser Aufforderung komme ich gerne nach!“
Gestern habe ich meine Freundin besucht.
Leider ist sie Patientin auf einer geschlossenen Station eines psychiatrischen Krankenhauses.
Den Weg dorthin finde ich im Schlaf, denn seit einem Jahr habe ich meine Tochter dort besucht. Ariane war auf der Station C1, meine Freundin ist eine Etage höher auf der Station C2 untergebracht.
Das Leid meiner Tochter war sehr groß, aber meine Freundin leidet noch mehr, denn sie hat Krebs und jetzt auch noch eine Psychose. So werden meine Besuche zu einer „unendlichen Geschichte“. Ein Horrorfilm.
Aber das ist kein Märchen, alles ist wahr und diese Wahrheit ist so brutal, dass viele Leser denken werden, das gibt’s doch gar nicht.

Leider – doch! Meine Freundin sagte: „Angelika, schreib.“ Sie weiß warum, denn sie hat erkannt, dass ich genau das schreibe, was wahr ist, in einer Form, die haargenau das wiedergibt, was man in dieser Klinik als „Behandlung“ bezeichnet.

Diese „Behandlung“ verstößt gegen die Menschenwürde, aber das ist erlaubt!???

Meine Freundin leidet außer an ihrer Krebserkrankung und ihrer Psychose noch an einer Behandlung, die man keinem Tier zumuten würde: sie wird „fixiert“, also am Bett festgebunden. Mit Arm- und Beingurten und mit Bauchgurt – täglich!
Schlimm genug, aber auch sie muss einnässen, und sie erzählte mir gestern, dass sie auch das „große Geschäft“ ins Bett verrichten MUSSTE!!!???

Sie ist ungefähr in meinem Alter, also um die 50 Jahre alt. Sie wurde in ihrem Leben nicht verwöhnt. Sie hat ihren Sohn alleine groß gezogen. Er ist ungefähr so alt wie meine Ariane, also um die 30 Jahre alt. Er muss jetzt mit ansehen, wie seine Mama gequält wird. Auch ich bin vorerst gezwungen zu zu schauen, aber ich schreibe meine Berichte, die der Wahrheit entsprechen.

Und ich erzähle über diese „Mißstände“ allen Menschen, die es hören oder lesen wollen. Allzu oft habe ich schon Sätze gehört, wie „Das ist mir nicht wichtig, denn ich bin psychisch gesund.“
Nur – irgendwann hat diesen Menschen das Leben gezeigt, dass meine Berichte genau für sie wichtig geworden sind, weil sie leider selbst psychisch krank geworden sind.
So geht mein „KAMPF“ nahtlos weiter. Ich kämpfe für die RECHTE DER PATIENTEN, die sehr krank sind und rechtlos. Aber sie sollen in einem Rahmen behandelt werden, der menschenwürdig ist.

Kein Arzt, Oberarzt oder Professor wird mir noch einmal sagen: “Die FIXIERUNG der Patienten geschieht zur Schonung des Patienten!”  Meine Antwort wird dann nicht schonend sein: „Diese Behandlung ist EINE STRAFTATund gehört angezeigt.”